Zur Ökonomie der Illusion


Die Ökonomien der Illusion und des Vergessens sind eins.

Freitag, 26. August 2016

Um ein Haar

Um ein Haar – ich sage nicht welches –! um ein Haar sage ich. Also gut. Ich den Türgriff noch in der Hand, da, der Anblick: drei Mädels, Eva, Meryam, Alva, zwei Jungs, Ben, Botho, ich sag, ich geh eine Zigarette rauchen, wenn ich wiederkomm, ist der Dreck weg, mal schnell in die Tonne, ihr wisst, wo sie steht. Geh dann doch nicht, etwas im Blick der Göre, flackernd, zorn- wie heiligmäßig, irgendwas stimmt da nicht, ich, anderen Ton anschlagend, nachfassend, beinah hüftig: Wasn los? Sie, ausspuckend fast: Sieht man doch.

Samstag, 20. August 2016

Niqab oder Hidschab?

Passantengespräch. Berlin-Wilmersdorf, 19. 8. 2016

»CDU raus aus dem Bundestag, Selbstauflösung, Nirwana. Wer das nicht begreift, der hat das Parteiensystem nicht begriffen.«
»Meinen Sie? Der Platzhirsch sollte sich…? Einfach in Luft...?«
»So ist es. Eine Partei muss verschwinden. Die Merkel-Partei steht für nichts, also muss sie verschwinden. Jedenfalls wäre es für alle das Beste.«
»Wofür, meinen Sie, steht die SPD?«
»Die SPD steht für eine Partei, die verlorengegangen ist und wiederbelebt werden sollte.«
»Also für die SPD.«
»So ungefähr.«
»Wieviel Stimmen geben Sie der AfD? Kann sie die CDU beerben?«
»Die AfD beerbt niemanden. Die AfD ist eine Kreatur, dazu bestimmt, der Kanzlerin das Regieren zu erleichtern.«
»Dass sie ihr Raum gegeben hat, sagen viele.«
»Sie hat ihr Platz gemacht, sie hat ihr die Parolen in die Hand gedrückt, sie hat ihr eine Aufgabe zugewiesen. Und sie gibt ihr die Existenzberechtigung.«
»Wieso das denn?«

Mittwoch, 17. August 2016

Wieviel Andersheit verträgt der Planet?

Im Juni dieses Jahres entschied der Bundesgerichtshof, die Frage einer Grundrechtsverletzung durch die Festlegung auf eines von zwei Geschlechtern im Geburtenregister stelle sich nicht (Az. XII ZB 52/15). Kommuniziert wurde diese Entscheidung in ZEIT ONLINE mit der beachtlichen Schlagzeile: »Bundesgerichtshof lehnt drittes Geschlecht ab.« Die Erfahrung lehrt, dass es höchst verschiedene Arten – und Formen – der Ablehnung gibt. Welche Art der Ablehnung mag dieser Titel suggerieren? Es soll Mütter geben, die es ablehnen, ein drittes Kind zur Welt zu bringen. Manche wiederum lehnen ihr drittes Kind ab – eine familiäre Katastrophe und eine lebenslange Bürde für den lieblos aufgezogenen Nachwuchs.

Dienstag, 16. August 2016

Trommeln in der Nacht




Hat eigentlich jemand in der letzten Zeit festgehalten, dass die Anti-Trump-Kampagne so ungefähr das Verlogenste, Unfairste, Niederträchtigste und Hinterhältigste ist, was in diesen Wochen und Monaten durch die Medien rollt? Man kann das ohne die geringste Sympathie für den Kandidaten der Republikaner feststellen, über dessen virtuelle, möglicherweise bald schon reale Regierungskünste die Welt offenkundig genausoviel weiß wie der hiesige Durchschnittsjournalismus über die Grammatikregeln der ihm von anderer Seite auferlegten Sprache – nämlich nichts.

Samstag, 13. August 2016

Religion: die Klassiker



Wer von einer Religion redet, muss von allen reden.
Wer von allen reden will, muss eine haben.

Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781)

Montag, 8. August 2016

Das falsche Lächeln der Mona Lisa



1.

Als die große Ratlosigkeit ausbrach, 
stand eine Frau an der Spitze des Landes. 
Sie lächelte. Nicht viel, fast gar nicht oder, wie man so sagt: 
kaum merklich.

Was lächelt die da, fragten die Leute. 
Was lächelt die da, wo doch das Unbehagen 
in den Gesichtern nistet? 
Was lächelt die da, wo doch die Unruhe steigt? 

Die Leute fragten nicht viel, 
fast gar nicht oder, wie man so sagt: 
kaum merklich.

Eine Abmachung bestand
zwischen der Frau an der Spitze des Landes
und dem Volk der Bespitzelten:
Wasch mich nicht, aber mach mir den Pelz nicht nass.

Donnerstag, 4. August 2016

Forza cattolica

»Ehrlich gesagt, nie wäre ich auf die Idee gekommen, eines Tages dem Papst – the pontiff, wie ihn sein angelsächsisches Publikum gelegentlich mit einem Anflug von Sarkasmus nennt – ein sonniges Gemüt zu bescheinigen. Der Kontrast zum Dalai Lama lässt sich nicht einfach mit ein paar Weihwasserspritzern beseitigen. Er gründet tief in den religiösen Kulturen, die, zum Kummer mancher Zeitgenossen, nur im Plural zu überleben scheinen. Die eine Religion geht in die Tiefe, die andere in die Höhe, die dritte in die Weite, bei der vierten wird’s eng... Daran wäre nichts auszusetzen, wenn ihre Vertreter sich der Tonlage ihrer Botschaft ständig bewusst blieben. Ob, was aus Rom zu vernehmen ist, es mit den Interviews Seiner tibetanischen Heiligkeit aufnehmen kann, steht freilich auf einem anderen Blatt. – Sie hören mir zu?«