Zur Ökonomie der Illusion


Die Ökonomien der Illusion und des Vergessens sind eins.

Mittwoch, 4. Januar 2017

Drückt der Schuh, so schreit der Wicht


Wenn erst alle übereinander herfallen, dann liegt der Zeitpunkt nicht fern, an dem alle über einen herfallen. Dies ist der Gang der Dinge oder der Lauf der Welt, gleichgültig, ob nach dem Peter-Prinzip oder nach dem Motto Haltet den Dieb verfahren wird. Das Peter-Prinzip genießt den Vorteil, dass es immer bereits in Kraft ist, bevor es sich, wie am Beispiel der Grünen gerade zu sehen, ein weiteres Opfer holt, das dann den angestauten Unmut von Amts- und Anmutsträger*innen auf sich ziehen darf. Der Satz Jeder ist seiner Unfähigkeit Schmied gilt ja nicht nur für diese Partei, er ist unerhört parteilos und liegt auch besagtem Motto zugrunde. Eine Bundeskanzlerin zum Beispiel, die zu lange im Amt verweilt und gerade daraus die Kraft für eine weitere Legislaturperiode schöpft, darf als geradezu klassischer Beleg für diese These gelten. Der Zeitpunkt, zu dem alle über sie herfallen werden, ist daher abzusehen ‒ und damit auch ihr Abschied von der politischen Bühne. Es folgt einer gewissen Logik, sie jetzt als Führerin der freien Welt auszurufen, wie von Seiten ihrer angelsächsischen Freunde geschehen, die zuviel Bares für einen verlorenen Wahlkampf ausgegeben haben, um nicht wenigstens einen Nebeneffekt einfahren zu wollen. Das amerikanische Interregnum ist auf Tage beschränkt, da muss alles schneller  vonstatten gehen, auch der Missgriff. Immerhin ist die deutsche Geschichte an Missgriffen reich und die Konsequenzen sind hierzulande sichtbarer als andernorts, man muss nur einmal durchs Brandenburger Tor spazieren, am besten in beide Richtungen.
Die deutsche Flüchtlingspolitik, von vielen als Irrtum erster Ordnung gebrandmarkt, von anderen mit dem Gütestempel ›liberal‹ auf die Ebene globaler Metapolitik gehoben, endet weder an den Grenzen Deutschlands noch an denen EU-Europas. Das mediale Geschwätz über Nafri-Grabscher kann daran ebenso wenig ändern wie der kuriose Beschluss der brandenburgischen Landesregierung, Attacken auf Asylbewerber innerhalb der eigenen Landesgrenzen wenn schon nicht als Asyl-, so wenigstens als Bleibegrund anzuerkennen. Das kommt der Selbstanerkennung Brandenburgs als ›unsicheres Ankunftsland‹ schon verdächtig nahe. Bleiben Sie hier, hier sind Sie nicht sicher. Dabei dürfen Sie keineswegs sicher sein, welche Ziele der Staat, dem Sie gerade Leben und Gesundheit anvertrauen, in Bezug auf Ihr Herkunftsland verfolgt. Es könnte ja sein, dass er sich ‒ in voller Übereinstimmung mit seinen Verbündeten ‒ seine Flüchtlinge selbst zuschaufelt, zum Beispiel, indem er sich dem immerhin greifbaren Friedensprozess in einem Herkunftsland erster Güte konsequent im Namen der Menschenrechte verweigert. Es könnte sein ‒ Genaueres weiß man nicht, da sich die Medien dieses seltsamen Landes ihrer Pflicht zur Aufklärung gegenüber gerade im Generalstreik befinden ‒, es könnte auch anders sein, es könnte alles anders sein, Sie und Ihre Probleme wird es ohnehin kaum berühren. Tatsache ist, dass er ‒ Ihr präferierter Aufnahmestaat ‒ dabei ist, aus dem Ruder zu laufen, teils nach dem Peter-Prinzip, teils nach bewährtem Motto, das ja prima vista noch nichts darüber aussagt, auf welchen Dieb man sich künftig einigen wird. Immerhin deutet einiges darauf hin, dass Sie selbst binnen kurzem die Rolle des Diebes, sprich: des Sündenbocks spielen werden, es deutet sogar ziemlich viel darauf hin, denn es kommt Wahlkampf und im Wahlkampf schart sich jede Partei um ihre Versager, so dass sie als feuerfest gelten und für kurze Zeit für die Rolle nicht in Betracht kommen.
Bevor Sie sich, lieber geduldeter, also bereits behördlich abgelehnter Flüchtling, allzu bedroht fühlen und daraus brandenburgische Bleiberechte ableiten, sollten Sie sich daher gut überlegen, welchen Preis Sie für Ihr geschätztes Aufenthaltsrecht zu entrichten gewillt sind. Das betrifft weniger die Einhaltung der üblichen Rechte und Pflichten, auch nicht ein allgemein positives Verhältnis zum Grundgesetz und den Frauen des Landes, das einige Auffaller bereits überfordert, sondern die schwerer zu beurteilende Frage, wie sicher Sie mit Ihrem unsicheren Herkunftsland gebrochen haben, so dass es Ihnen nichts ausmacht, was dort von welchen Akteuren unternommen und verübt wird. In diesem Punkt müssen Sie Ihrer ganz sicher sein, wollen Sie künftige Loyalitätskonflikte in Ihrer Brust zuverlässig unterbinden. Gleichgültig, was Volksmund und Polizeikräfte von sich geben: Es sind größtenteils Loyalitätskonflikte, welche die Menschen ins Unglück stürzen, weshalb sie von wohlmeinenden Mitmenschen gern mit Diskretion bedacht werden. Aus gutem Grund: dort, wo sie herausgeschrien werden, ist das Kind meistens bereits in den Brunnen gefallen und unterwegs in eine solide Grundkriminalität, die nur schwer, und dann oft durch Schocktherapie, geheilt werden kann.
Seien Sie versichert, dass den Schreiern, denen Sie bereits heute in Ihrem Neu-Alltag begegnen, Ihre Religion ziemlich gleichgültig ist. Das gilt selbst für notorische Hasser, denn Religionshass ist nichts anderes als tätige Ignoranz. (Nebenbei bemerkt: die Gelehrten dieses Landes, dessen Bewohner Sie womöglich bereits verachten, haben seit der Aufklärung, also seit Jahrhunderten, viel für die Erforschung und weltweite Wertschätzung Ihrer kulturellen und religiösen Überlieferung getan und fahren darin unbekümmert um Dschihad und Domplatte fort ‒ erklären Sie das rechtzeitig Ihrem womöglich bereits auf Anti-Kreuzzugskurs befindlichen, womöglich bereits Sie verachtenden Sprössling.) Zücken Sie Ihre Börse, nicht Ihre Religion: das stiftet Beziehungen, Bezüge, nicht selten auch Freundschaften, ‒ man schließt hierzulande gern Freundschaften, weil es so gemütlicher ist und den Umgang erleichtert. Zücken Sie allerdings die Religion ‒ wohlgemerkt: im öffentlichen Raum ‒, dann sollten Sie genau überlegen, welches Spiel Sie damit beginnen. Denn diese Art von Spielen pflegt nie zu enden. Zumindest werden Sie sich des längeren der besonderen Zuwendung diverser Ministerien, insbesondere desjenigen des Inneren, erfreuen können ‒ manche mögen das, anderen wird es schnell lästig. Sie werden dieses Land verändern, das heißt die Gründe, aus denen Sie hergefunden haben, bis zur Unkenntlichkeit verschieben. Vielleicht wollen Sie etwas anderes, dann sollten Sie es rechtzeitig wollen.
Genug der Ratschläge. Den wichtigsten Rat müssen Sie sich ohnehin selbst geben: Lohnt es sich für Sie, Ihre werte Anwesenheit in ein Land zu investieren, in dem Sie, als Opfer angekommen, sich gleich wieder als Opfer fühlen und Sonderrechte reklamieren müssen? Müssen Sie sich das antun? Müssen Sie es sich antun, ein Land in innere Konflikte zu stürzen, die denjenigen, vor denen Sie vielleicht auf der Flucht sind, an äußerer Brutalität vielleicht nicht entfernt das Wasser reichen können, die aber, in die Zukunft verlängert, als ideologisch motivierte und sich wechselweise enthemmende Zwietracht, in eine vergleichbare Richtung gehen und leicht zu ähnlichen Ergebnissen führen können? Müssen und wollen Sie sich das antun? Falls nein: Denken Sie daran, wie warm Ihnen bei dem Gedanken ums Herz wird, bei den Ihren zu sein und ihnen Gutes erweisen zu können, wägen Sie die wirklichen Gefahren, denen Ihr Leben dort und hier ausgesetzt ist, und töten Sie nicht um eines erflunkerten Vorteils willen Ihre Seele. Falls ja: Danken Sie der Partei, die Ihnen jetzt einen immerwährenden Opferstatus gewährt, aber danken Sie ihr nicht zu sehr. Sie könnten es eines Tages bereuen.
Und: Verlassen Sie sich nicht aufs Peter-Prinzip.